Ratschläge für einen schlechten Redner (von Kurt Tucholsky)

  • Fang nie mit dem Anfang an, sondern immer drei Meilen vor dem Anfang! („Meine Damen und Herren, bevor ich zum Thema des heutigen Abends komme, lassen Sie mich kurz ...“)
  • Sprich nicht frei – das macht so einen unruhigen Eindruck. Am besten ist es: du liest deine Rede ab. Das ist sicher, zuverlässig, auch freut es jedermann, wenn der lesende Redner nach jedem viertel Satz mißtrauisch hochblickt, ob auch noch alle da sind.
  • Sprich, wie du schreibst. Und ich weiß, wie du schreibst. Sprich mit langen, langen Sätzen, die Nebensätze schön ineinandergeschachtelt ... Du musst alles in die Nebensätze legen.
  • Fang immer bei den alten Römern an und gib stets, wovon du auch sprichst, die geschichtlichen Hintergründe der Sache. Das ist nicht nur deutsch – das tun alle Brillenmenschen. Immer gib ihm Historie, immer gib ihm.
  • Kümmere dich nicht darum, ob die Wellen, die von dir ins Publikum laufen, auch zurückkommen – das sind Kinkerlitzchen. Sprich unbekümmert um die Wirkung, um die Wirkung, um die Leute, um die Luft im Saale; immer sprich, mein Guter. Gott wird es dir lohnen.
  • Trink den Leuten ab und zu ein Glas Wasser vor – man sieht das gern.
  • Wenn du einen Witz machst, lach vorher, damit man weiß, wo die Pointe ist.
  • Eine Rede ist, wie könnte es anders sein, ein Monolog. Weil doch nur einer spricht.
  • Viel Statistik hebt eine Rede immer sehr. Das beruhigt ungemein, und da jeder imstande ist, zehn verschiedene Zahlen mühelos zu behalten, so macht das viel Spaß.
  • Kündige den Schluss deiner Rede lange vorher an, damit die Hörer vor Freude nicht einen Schlaganfall bekommen.
  • Du musst nicht nur eine Disposition machen, du musst sie auch vortragen – das würzt die Rede.
  • Sprich nie unter anderthalb Stunden, sonst lohnt es sich gar nicht erst anzufangen.
  • Wenn einer spricht, müssen die anderen zuhören – das ist deine Gelegenheit! Missbrauche sie.