Wattendrama! (Lied, April 2007, vier Jahre vor Fukushima)
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Was fegt den Wurm / im Regensturm / vom Eifelturm / das große Wattendrama? Was schelzt das Eis / und macht den Preis / des Öls so heiß / das große Wattendrama? Was macht dir Angst / wenn du betankst / bezahlst und dankst / das große Wattendrama? Verschwendung tut / im Übermut / nur selten gut / auch ohne Wattendrama. Dass Hungertod / und Krieg und Not / noch Menschen droht / das ist mein Wattendrama! Der alte Hut / Atom sei gut / vor Sündenflut / im großen Wattendrama? Kommt's nicht auch vor / dass Reaktor-/-en GAU'n ums Ohr / trotz großem Wattendrama? War nicht der Müll / von Tschernobyl / schon viel zu viel / ein Riesen-Wattendrama? Auf lange Sicht / wär's schon nicht schlecht / fürs täglich Licht / was Neues zu ersinnen. Nicht bang und taub / und ohne Raub-/-bau sollte, glaub' / ich, das auch bald gelingen. Wenn nicht vorher / in atomar-/-en Schlachten der / Ressourcen wegen wir die letzte Kater-Strophe singen! |
Wo eine kopflose "Klimapolitik" hinführt:
(Quelle: http://www.sueddeutsche.de/wissen/artikel/39/134781/)
Das Ergebnis klingt zunächst paradox: Biosprit ist klimaschädlicher als Benzin, hat eine internationale
Gruppe von Wissenschaftlern um den Chemie-Nobelpreisträger Paul Crutzen berechnet. Der Grund liegt in dem
gefährlichen Stickoxid (N2O), welches vor allem beim Düngen der Energiepflanzen in die Atmosphäre gelangt.
Jede Tonne Stickoxid hat nämlich eine fast 300-fach so starke Treibhauswirkung wie dieselbe Menge an Kohlendioxid.
Das dürfte die Diskussion um Biotreibstoffe weiter anheizen.
Seit längerem ist klar, dass vor allem der Sprit aus Raps und Mais wegen der Energie, die zu seiner Herstellung gebraucht wird,
keine positive Klimabilanz hat. Zuletzt hatte eine OECD-Studie dem Biosprit ein verheerendes Zeugnis ausgestellt.
Dennoch hat die EU beschlossen, dass bis zum Jahr 2020 zehn Prozent des Treibstoffes für den Verkehr Biosprit sein muss,
die Bundesregierung peilt sogar 20 Prozent an.
Crutzen, inzwischen emeritierter Direktor des Mainzer Max-Planck-Instituts für Chemie, hatte für seine Arbeiten
über das Ozonloch 1995 den Nobelpreis erhalten. Weil er Spezialist für chemische Prozesse in der Atmosphäre ist,
dürfte die soeben in der Zeitschrift Atmospheric Chemistry and Physics Discussions erschienene Studie besondere Beachtung finden.
Crutzen weist nach, dass bei der Produktion von Biosprit fast doppelt so viel Stickoxid in die Atmosphäre gelangt wie
Forscher des UN-Klimarates IPCC bisher angenommen hatten. Das liegt daran, dass weitaus mehr N2O aus der Erde in die Luft diffundiert.
Wegen der starken Treibhauswirkung von Stickoxid sind die Folgen fürs Klima erheblich: Für Raps-Sprit wäre
demnach die relative Erwärmung 1,7-mal höher als der Kühlungseffekt durch die Einsparung von CO2 aus fossilem
Treibstoff. Ethanol aus Mais, der vor allem in den USA hergestellt wird, wäre den Berechnungen zufolge bis zu 1,5-mal
klimaschädlicher als Benzin oder Diesel. Ethanol aus Zuckerrohr, das auch in seiner energetischen Bilanz besser abschneidet
als Raps und Mais (dessen Anbau allerdings zugleich den Regenwald gefährdet) kommt auf einen Faktor 0,5.
David Reay von der Universität Edinburgh hat abgeschätzt, wie sich das Ziel der US-Regierung, den Verbrauch von
Biosprit bis 2022 zu versiebenfachen, auf das Klima auswirken wird: Vorausgesetzt, Crutzens Berechnungen stimmen, würden
die Emissionen um sechs Prozent zunehmen.
Aus: Bayernkurier
Ausgabe: Jahrgang 58, Nr. 06, 10. Februar 2007
"Klima und Vernunft", von Peter Schmalz, Artikel aus Rubrik MEINUNGEN
"Der Erde wird es heiß und ihre Schweißperlen füllen die Weltmeere.
Die bislang umfangreichste Sammlung der Millionen gesammelter
Klimadaten, die dieser Tage von der UN präsentiert wurde, lässt
bis zum Ende dieses Jahrhunderts Schlimmes erwarten: Zunehmende
Temperaturen, die in Deutschland Palmen wachsen und Wüsten entstehen
lassen, steigende Meere, unter denen Südseeinseln verschwinden
und auch deutsche Küstenstädte nasse Füße bekommen werden.
Was der Internationale Wissenschaftsrat zum Klimawandel (IPCC)
aufgeschrieben hat, ist nichts sensationelles Neues. Hier wurde
vielmehr überschaubar gemacht, was bislang weit verstreut erforscht
worden war. Und trotz der großen Datenmenge sind die daraus
gewonnenen Erkenntnisse nicht unumstritten. Unstrittig aber ist,
dass die industrialisierte Welt die Atmosphäre schädigt, indem aus
fossilen Brennstoffen in kurzer Zeit große Mengen von Kohlendioxyd
freisetzt werden, die über Millionen Jahre gebunkert waren.
Das aber ermöglicht der Sonne, die Luft stärker als in früheren
Jahrhunderten zu erwärmen und die Eisberge schmelzen zu lassen.
Der sozialdemokratische Bundesumweltminister Sigmar Gabriel
spricht von einem „Menschheitsproblem“. Ein dramatisches Wort,
dem nicht zu widersprechen ist. Doch wenn es tatsächlich ein
Menschheitsproblem ist, dann erst recht ist der Menschenverstand
gefordert. Vorgestanzte Ideologien sind dabei hinderlich.
Bayern hat schon vor den Horrorszenarien ohne ideologische Scheuklappen
klimafreundlich gehandelt. Die CO2-freie Wasserkraft und die ebensolche
Kernkraft wurden ausgebaut, die Biomasse vom Bauern liefert
mittlerweile einen beachtlichen und ständig steigenden Anteil an der
Energieerzeugung. Kein anderes Bundesland kann eine ähnlich positive
Klimabilanz vorweisen. Auch das ist ein Markenzeichen der CSU.
Doch Sigmar Gabriel und seine Genossen werden noch ein erhebliches
Problem bekommen mit diesem Menschheitsproblem. Da Kohlendioxyd
das Hauptproblem ist, ist es weder logisch noch sinnvoll, die
sicheren deutschen CO2-freien Kernkraftwerke nur deshalb vom Netz
zu nehmen, weil vor Jahren der grüne Chefideologe Jürgen Trittin
mit schon damals falschen Argumenten einen Atomausstiegs-Beschluss
herbeigeführt hat. Noch gibt sich die SPD-Führung als grüne
Ideologie-Bewahrerin, doch auch in ihren Reihen beginnt die Vernunft
einzusickern. Verantwortungsbewusste Sozialdemokraten mahnen bereits,
Deutschland könne sich in dieser Frage nicht weltweit isolieren.
Deutschland hat eine starke Umwelttechnologie, die selbst den neuen
Energiefressern China und Indien helfen wird, den Schaden
ihres Verbrauchs zu begrenzen. Deutschland wird auch die Kraft haben,
von eigenen Irrwegen abzubiegen."
Angeblich sind sich alle einig: Der Klimawandel ist eine entscheidende Bedrohung, wir müssen alles tun, um ihn aufzuhalten. Die größte Befragung von deutschen Klimaforschern aber zeigt ein ganz anderes Bild. Sowohl die Grundlagen der Berechnungen als auch die nötigen Konsequenzen sind umstritten
Die Klimaforscher sind sich längst nicht sicher Von Hans M. Kepplinger und Senja Post
Der Klimaschutz ist zu einem der wichtigsten Rechtfertigungsgründe von politischen Entscheidungen geworden. Als parteiübergreifende Letztbegründung von Macht- und Gestaltungsansprüchen hat er hierzulande die Funktion übernommen, die Nation und Religion in der Vergangenheit besaßen und in anderen Weltregionen noch besitzen. Der Klimaschutz legitimiert. Er legitimiert staatliche Eingriffe in die Energieversorgung, die Technologieförderung, den Wohnungsbau. Mit dem Klima kann man alles begründen - von Subventionen für Wind- und Solarenergie über Vorschriften für den Bau von Eigenheimen bis hin zur steuerlichen Behandlung von Dienstwagen.
Doch wie solide sind die Grundlagen dieser Pläne und Maßnahmen? Und vermittelt die aktuelle Diskussion über den Klimawandel überhaupt einen angemessenen Eindruck vom Stand der Klimaforschung? Diese scheinbar einfache Frage ist schwer zu beantworten, weil es "die" Klimaforschung nicht gibt. Mit dem Klima beschäftigen sich Physiker und Chemiker, Geologen, Biologen, Meteorologen und Mathematiker, und sie sind zudem an sehr verschiedenen wissenschaftlichen Einrichtungen tätig. Der Grund für die Zersplitterung der Klimaforschung liegt in der komplexen Natur ihres Gegenstandes - es geht um die Atmosphäre und die Weltmeere, um Niederschläge und Verdunstung, um physikalische, chemische und biologische Prozesse, um Erklärungen des Weltklimas aus der Vergangenheit und Prognosen für die Zukunft.
Den Ausweg aus diesem akademischen Dschungel bildet eine formale Definition der Klimaforscher: Klimaforscher sind alle Naturwissenschaftler, die die unterschiedlichen Komponenten des Klimasystems erforschen und deren Untersuchungen von anderen zum Klimasystem forschenden Naturwissenschaftlern zur Kenntnis genommen werden. Diese Definition schließt beispielsweise einen Physiker ein, der die Auswirkungen kosmischer Partikel auf atmosphärische Prozesse untersucht. Sie schließt jedoch einen Ökonomen aus, der sich mit den Auswirkungen des Klimawandels auf das Wirtschaftswachstum befasst. Ausgehend von dieser Definition, wurden in einer umfangreichen Vorstudie 239 Klimaforscher identifiziert, die als Professoren an wissenschaftlichen Einrichtungen in Deutschland tätig sind. Hierbei handelt es sich nach dem heutigen Kenntnisstand um die Gesamtheit der als Wissenschaftler anerkannten Klimaforscher in Deutschland. Von ihnen nahmen 133 im Sommer 2006 an einer Online-Befragung teil. Ihre Antworten liefern die bisher breiteste Übersicht über die Einschätzung des Klimas und der Klimaforschung durch Klimaforscher.
Daran, dass es wärmer wurde, gibt es keine nennenswerten Zweifel. über die Ursachen und Folgen dieser Entwicklung gehen die Ansichten der Klimaforscher jedoch ebenso auseinander wie über die Grundlagen des Forschungsstandes. Die Mehrheit der Klimaforscher (57 Prozent) ist der Ansicht, dass die "Folgen des Klimawandels für die Menschen im 21. Jahrhundert gefährlich" sind. Eine bedeutende Minderheit stimmt dieser These dagegen nicht zu, weil sie negative und positive Folgen sieht, weil sie die Gefahr generell bestreitet oder weil sie der Meinung ist, dass man darüber keine konkreten Aussagen machen kann. Eine Ursache dieses bemerkenswerten Befundes liegt in den Urteilen der Klimaforscher über die theoretischen und methodischen Grundlagen von Klimaprognosen. Die Ansichten der Klimaforscher hierzu sind ernüchternd. Die Mehrheit der Wissenschaftler ist der Ansicht, die Voraussetzungen für die Berechenbarkeit des Klimas seien gegenwärtig noch nicht gegeben. Dies betrifft die Menge und Qualität der empirischen Daten, die Qualität der Modelle und Theorien sowie die Kapazität der verfügbaren Analysetechniken.
Nur eine Minderheit von zehn bis 20 Prozent der Klimaforscher ist der Meinung, die empirischen und theoretischen Voraussetzungen für die Berechnung des Klimas seien heute schon gegeben. Dies dürfte sich auch in den vergangenen Monaten nicht wesentlich geändert haben. Eine gewisse Ausnahme bilden nur die etwas positiveren Urteile über ein Randgebiet der Klimaforschung - die Leistungsfähigkeit der für die Berechnungen erforderlichen Computer. Zwar ist die Mehrheit der Ansicht, die Voraussetzungen seien in Zukunft erfüllbar, mit Blick auf die Präzision der Daten und Modelle bezweifelt eine bemerkenswerte Minderheit von gut zehn Prozent aber auch dies. Diese Befunde werfen die grundlegende Frage auf, ob die weitreichenden politischen Maßnahmen zum Schutz des Klimas mit Verweisen auf die Klimaforschung gerechtfertigt werden können (siehe Tabelle).
Die Urteile der Klimaforscher über die Berechenbarkeit des Klimas verweisen auf die generelle Problematik einer wissenschaftlichen Diskussion, die die Grenzen der Fachöffentlichkeit überschreitet und zur Grundlage der öffentlichen Meinung und der politischen Willensbildung wird. Wissenschaftliches Handeln beruht auf Zweifeln am Stand der Erkenntnis. Wissenschaftler werden die skeptischen Urteile deshalb kaum überraschen. Die politische Meinungs- und Willensbildung beruht dagegen auf dem oft illusionären Vertrauen in die eigenen Urteilsgrundlagen. Zwischen der Rationalität von Politik und Wissenschaft besteht ein grundlegender Unterschied, der dann problematische Folgen hat, wenn das eine zur Grundlage des anderen wird. Dies belegt das Übergreifen der Politik in die Wissenschaft etwa mit der Forderung nach verwertbaren Forschungsergebnissen und das Ausgreifen der Wissenschaft in die Politik, etwa mit der Forderung nach praktischen Konsequenzen aus der Forschung.
Das Symbol für den Klimawandel ist die sogenannte Hockeyschläger-Kurve. Sie besagt, dass es in der Zeit vom 11. bis zum 18. Jahrhundert nur geringe Klimaschwankungen gab, die Temperatur im 19. allmählich anstieg und im 20. Jahrhundert drastisch in die Höhe ging. Die Kurve war 1998 in der Zeitschrift "Nature" veröffentlicht und drei Jahre darauf vom Weltklimarat (IPCC) als geschichtlicher Beleg für ein aktuelles Problem groß herausgestellt worden. Erläuternd hieß es dazu, "dass der Temperaturverlauf im 20. Jahrhundert im Verlaufe der letzten 1000 Jahre wahrscheinlich der stärkste innerhalb eines Jahrhunderts war. Ebenso ist es wahrscheinlich, dass die 90er-Jahre in der Nordhemisphäre das wärmste Jahrzehnt" waren. In der Folgezeit wurde dies in der Wissenschaft aus zwei Gründen infrage gestellt. Einige Kritiker argumentieren, die Hockeyschläger-Kurve beruhe auf fehlerhaften Berechnungen. Andere bezweifeln die historischen Daten, die den Berechnungen zugrunde liegen. Gestützt auf geologische Untersuchungen und historische Aufzeichnungen, zeigen sie, dass es auch in der Vergangenheit starke Klimaschwankungen gab. So war es vom 11. bis ins 13. Jahrhundert in Europa relativ warm (mittelalterliches Klima-Optimum), ab dem 14. Jahrhundert aber relativ kalt (Kleine Eiszeit). Wie die deutschen Klimaforscher den wissenschaftlichen Konflikt beurteilen, wurde mit folgender Frage ermittelt: "Was halten Sie persönlich von der Hockeyschläger-Kurve?" Ihre Antworten offenbaren erhebliche Meinungsunterschiede. Nur für eine Minderheit (35 Prozent) ist "die Kurve die bislang beste Annäherung an die Klimaentwicklung der Vergangenheit". Ihnen steht eine noch kleinere Minderheit (zehn Prozent) gegenüber, nach deren Ansicht die Kurve "widerlegt und überholt" ist. Die meisten Klimaforscher haben dazu jedoch keine konkrete Meinung. Für sie ist die Sachlage entweder "noch unklar" (29 Prozent), oder sie äußern sich dazu nicht (26 Prozent). Innerhalb der Fachwelt ist die Hockeyschläger-Kurve folglich keineswegs allgemein anerkannt.
Ihre politische Brisanz bezieht die wissenschaftliche Kontroverse um die Hockeyschläger-Kurve daraus, dass es naheliegt, den Anstieg der Temperatur im 19. und 20. Jahrhundert als Folge der Industrialisierung zu interpretieren. Dies ist jedoch keineswegs zwingend. Deshalb wurden die Ansichten der Klimaforscher zum Einfluss der Menschen auf den weltweiten Temperaturanstieg mit folgender Frage ermittelt: "Grob geschätzt: Wurde nach Ihrem Urteil die Klimaentwicklung der vergangenen 50 Jahre überwiegend vom Verhalten der Menschen, überwiegend von natürlichen Faktoren oder zu gleichen Teilen vom Verhalten der Menschen und von natürlichen Faktoren beeinflusst?" Nahezu die Hälfte der Klimaforscher (46 Prozent) ist der Überzeugung, dass der Mensch die Hauptursache des Temperaturanstiegs ist. Ein Viertel (27 Prozent) schätzt, dass die Entwicklung zu gleichen Teilen vom Menschen und von der Natur hervorgerufen wurde. Natürliche Faktoren sieht eine Minderheit (elf Prozent) als Hauptursache. Der Rest (17 Prozent) ist der Meinung, dass man die erwähnte Frage nicht wirklich beantworten kann. Betrachtet man die beiden zuerst genannten Einschätzungen zusammen, kann man feststellen: Fast drei Viertel der Klimaforscher (73 Prozent) betrachten den Menschen als eine mehr oder weniger bedeutende Ursache des Klimawandels.
Anhand ihrer Urteile über die Qualität der Daten und Modelle der Klimaforschung, der Interpretation der Befunde zur Entwicklung des Klimas sowie zu den zukünftigen Gefahren kann man einen Index berechnen, der in der Klimaforschung zwei unterschiedliche Lager ausweist - überzeugte Warner und skeptische Beobachter. Im Unterschied zu ihrer Präsenz in der Öffentlichkeit und zu ihrer Resonanz in der Politik sind beide Lager in der Klimaforschung gleich groß (37 beziehungsweise 36 Prozent der Klimaforscher). Zwischen ihnen steht eine etwas kleinere Gruppe (27 Prozent), die weniger klar umrissene Ansichten vertritt und hier außer Acht bleiben kann. Die meisten überzeugten Warner haben relativ wenig Zweifel an den methodischen und theoretischen Grundlagen der Klimaforschung, betrachten die Menschen als Hauptursache des Klimawandels und sehen große Gefahren für die Zukunft. Die meisten skeptischen Beobachter zweifeln stärker an den jenen Grundlagen der Klimaforschung und sehen neben den Menschen andere Ursachen des Klimawandels.
Die weit überwiegende Mehrheit aller Klimaforscher (81 Prozent) ist der Überzeugung, dass die Klimaforscher die "Gesellschaft aktiv über Gefahren und Risiken" aufklären müssen. Darin bestehen kaum Unterschiede zwischen Warnern und Skeptikern. Allerdings haben sie auch darin unterschiedliche Vorstellungen, wie sie ihrer "Bringschuld" gerecht werden sollen. Dies zeigen ihre Stellungnahmen zu der Forderung, "dass die Klimaforschung mit einheitlichen Botschaften an die Öffentlichkeit tritt". Die skeptischen Beobachter lehnen dies angesichts der vorhandenen Meinungsverschiedenheiten mehrheitlich (52 Prozent) ab. Dafür ist nur eine kleine Minderheit (19 Prozent). Obwohl derartige Forderungen in der Wissenschaft generell als anrüchig gelten, stimmt im Lager der überzeugten Warner ein gutes Drittel (37 Prozent) der Forderung nach einer einheitlichen Botschaft zu. Die Entschlossenheit der Warner zum politisch effektiven Engagement in der Öffentlichkeit, verbunden mit den widersprüchlichen Urteilen der Skeptiker über die drohenden Gefahren, dürften Gründe dafür sein, dass in der deutschen Öffentlichkeit der irrtümliche Eindruck besteht, fast alle Klimaforscher seien einer Meinung - der Meinung der entschlossenen Warner.
Wie sollten wir auf den kaum bestrittenen Klimawandel reagieren? Hier kann man drei Möglichkeiten unterscheiden - die Verhinderung des Klimawandels, sofern das noch möglich ist, den Schutz gegen die Folgen des Klimawandels und eine Kombination von beiden Strategien. In der Öffentlichen Diskussion geht es überwiegend um Maßnahmen zur Verhinderung des Klimawandels. Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel, beispielsweise im Küstenschutz, spielen keine große Rolle. Die bei Weitem überwiegende Mehrheit aller Klimaforscher (71 Prozent) sieht dies anders. Für sie sind Maßnahmen zur Verhinderung und zur Anpassung "gleich wichtig". Dies ist die vorherrschende Meinung in allen drei Lagern - bei den Warnern, den Unentschiedenen und den Skeptikern. Dagegen meint nur eine Minderheit (20 Prozent), die "Menschen sollten vor allem alles daran setzen, dass ein Klimawandel noch verhindert oder zumindest begrenzt wird". Hierin unterscheiden sich die drei Lager kaum. Nur sehr wenige (sieben Prozent) sind dafür, dass wir vor allem Vorkehrungen treffen, um uns "vor den zu erwartenden Folgen einer Klimaerwärmung zu schützen". Damit besteht in der Frage der Handlungsoptionen angesichts des Klimawandels ein erheblicher Unterschied zwischen den Forderungen der Klimaforscher und den Aktivitäten der Politiker aller Parteien. Sie fordern im Unterschied zu den Politikern, die vor allem auf die Verhinderung des Klimawandels setzen, ebenso intensive Vorkehrungen gegen erwartbare Folgen.
Überblickt man alle Befunde, kommt man angesichts der Widersprüche zwischen den Klimaforschern und den weit verbreiteten Unsicherheiten über ihre Grundlage zu der Schlussfolgerung: Eine wissenschaftlich zweifelsfrei fundierte Klimapolitik gibt es nicht. Es gibt gute Gründe für den Klimaschutz, einzelne Maßnahmen lassen sich aus der Klimaforschung aber nicht zwingend ableiten. Hierbei handelt es sich letztlich um politische Entscheidungen, die mit Wissenschaft eher bemäntelt als begründet werden. Dies betrifft vor allem eine auf Maßnahmen zur Verhinderung des Klimawandels fixierte Politik zu, der möglicherweise nicht aufzuhalten ist und folglich gleichgewichtige Maßnahmen zum Schutz vor seinen Folgen erfordert.
Al Gore sagt, dass der Kampf gegen die globale Erwärmung seine Mission ist und ruft die Menschen auf, ihm zu folgen. Doch über seinen preisgekrönten Vortrag in Berlin durfte nicht in Wort und Bild berichtet werden
Berlin. Es gibt Buletten mit Senf, und obendrein gibt es ganz viel Pathos. Als der Friedensnobelpreisträger Al Gore in Berlin das Tipi-Zelt auf der Wiese hinter dem Kanzleramt betritt, um über den Klimawandel zu reden, fehlen eigentlich nur noch Konfettischnipsel und die amerikanische Nationalhymne. Doch die meisten der 300 geladenen Gäste des Energiekonzerns EnBW stehen auch so von ihren Stühlen auf. Al Gore ist da, Al Gore wird sprechen, Al Gore wird den weltberühmtesten Diavortrag zeigen. Al Gore!
Es wird ein reichlich komischer Abend. Journalisten werden nur ins Zelt gelassen, wenn sie zuvor einen Knebelvertrag unterschreiben: keine Mitschnitte, keine Fotos, keine bewegten Bilder und keine Zitate aus Al Gores Vortrag. EnBW, der sich mit dem Stargast schmücken will und sich als Energiekonzern mit ökologischem Bewusstsein darstellt, ist es selbst ein wenig peinlich. Man verweist auf Urheberrechte, auf die Agentur, die Al Gore vermarktet. Und darauf, dass den Medienvertretern Schadenersatzforderungen in beträchtlicher Höhe drohen.
Frei zur Veröffentlichung ist nur das Eingangs-Statement von Al Gore. Fünf Minuten waren angekündigt, 20 werden es am Ende. Lässig betritt er die Bühne, winkt in die Runde, und dann wirft er den Turbo an. In wenigen Sekunden ist Al Gore auf hundert und voller Leidenschaft beim Thema Klimawandel.
Von Enkelkindern spricht er, die in klimageplagter Zukunft einmal fragen würden, was wir 2007 eigentlich gedacht haben. Davon, dass die Menschen die Atmosphäre als Kloake benutzen. Dass alle 24 Stunden 70 Millionen Tonnen Treibhausgase hinzukommen. Dass das Eis schmilzt. "Wir müssen unsere Augen, unser Bewusstsein und unser Herz öffnen", ruft Al Gore. Er hat die Hand auf der Brust.
Es folgt ein afrikanisches Sprichwort: Wer schnell gehen will, sollte allein gehen. Wer einen langen Weg vor sich hat, sollte ihn mit anderen gehen. Al Gore macht auch daraus einen Klimaschutz-Appell: "Wir aber haben einen langen Weg vor uns. Und wir müssen ihn schnell gehen."
Applaus. Es gibt Kalbsfilet in Morchelrahmsauce.
Um 20.18 Uhr dann beginnt Al Gore mit dem eigentlichen Vortrag, aus dem der Dokumentarfilm "Eine unbequeme Wahrheit" und das gleichnamige Buch entstanden. Dieser Teil, aus dem die Journalisten nicht wörtlich zitieren dürfen, unterscheidet sich im Grunde nicht von DVD oder Buch, hat in etwa die gleichen Inhalte. Doch in den nun folgenden 93 Minuten wird klar, warum dieser Abend im Tipi-Zelt nicht aufgezeichnet werden soll: Es ist die Wirkung des Vortrags, die erhalten bleiben soll.
Al Gore predigt. Das ist es.
Er schreit, stampft mit den Füßen, rennt auf der Bühne auf und ab. Sein Plädoyer für den Kampf gegen die globale Erwärmung ist ein physisches Erlebnis.
Und diese Bilder. Es beginnt so friedlich: Die Erde im Weltraum, fotografiert von Astronauten. Schnitt. Sterbende Gletscher, schrumpfendes Eis und immer wieder diese Kurven von CO2-Konzentration und Temperatur: Zickzack, zickzack. Auf und ab, auf und ab. Bis es auf einmal jäh nach oben geht und die Leinwand nicht mehr ausreicht: Der Mensch ist in das Zeitalter der Industrialisierung eingetreten.
Man spürt es körperlich: Al Gore predigt Klimaschutz. Und er sagt, dass dies seine Mission ist. Den Menschen im Tipi-Zelt wird klar: Nicht für die Inhalte hat Al Gore einen Teil des Nobelpreises erhalten. Sondern dafür, dass er bei diesem Thema weltweit Bewusstsein verändert.
180 000 Dollar soll [der Atomkraftwerksbetreiber! (L.K.)] EnBW Al Gore als Honorar gezahlt haben. Das ist viel Geld in Zeiten, in denen sich die Energiekonzerne für die Strompreiserhöhung rechtfertigen müssen. "Ich bereue nichts", sagte der neue EnBW-Chef Hans-Peter Villis. Er meinte Gore, nicht den Stromtarif.
24.10.2007 Von Jürgen Polzin