Sex, Lügen, aber keine Videos, aus: WAZ vom 15.06.2007 / Szene / Mantel
Von Wolfgang Pott
Essen. 39 200 Euro - dafür hätten die in die VW-Affäre um Sexpartys auf Konzernkosten
verstrickten Manager und Politiker noch so manche Lustreise veranstalten können. Diesen
Betrag aber muss jetzt der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete und VW-Betriebsrat Hans-
Jürgen Uhl als Geldstrafe bezahlen, wie gestern vom Amtsgericht Wolfsburg festgelegt wurde.
Gleich zum Auftakt hatte er ein Geständnis abgelegt. "Es trifft zu, dass ich während meiner
Zeit als Betriebsratsmitglied Dienste von Prostituierten angenommen habe", sagte Uhl, der
vor gut zwei Wochen zugegeben hatte, in gerichtlichen Auseinandersetzungen mit Medien die
Unwahrheit gesagt zu haben.
Eine der Zeuginnen, die gegen Uhl ausgesagt hatten, war eine junge Ukrainerin namens Lola.
Was Uhl zuvor eher neutral berichtete, erzählte sie dem Magazin "Vanity Fair" detailgetreu.
Von einem Privathaus in Hannover, in dem sonst Pornofilme gedreht wurden, ausgestattet mit
Sauna, Whirlpool, Bar und großem Wohnzimmer. An jenem Abend im November 1999 aber ging es
laut Lola ohne Video zur Sache.
Im Raum sollen plötzlich VW-Vorstand Peter Hartz, VW-Konzernbetriebsratschef Klaus
Volkert, Personalmanager Klaus-Joachim Gebauer, Hans-Jürgen Uhl und noch ein weiterer Mann
gestanden haben. "Nach dem ersten Blickkontakt war klar, dass Uhl mich wollte und keine
andere. Schon nach zehn Minuten gingen wir aufs Zimmer", wird Lola zitiert.
Die Sexparty-Affäre hat Uhls berufliche Laufbahn beendet. Sein Bundestagsmandat legte er
nieder, seine fast 40-jährige Mitgliedschaft in der SPD kündigte er und auch die 35-jährige
Zugehörigkeit zur IG Metall. "In der Zeit der Betriebsratstätigkeit ist eine Atmosphäre
entstanden, die mich die Bodenhaftung hat verlieren lassen", sagte Uhl. 5000 Euro habe
er an VW zur pauschalen Wiedergutmachung überwiesen.
Das Amtsgericht wertete in seiner Urteilsbegründung die Tatsache als strafverschärfend,
dass Uhl Bundestagsabgeordneter war und damit eine Vorbildfunktion hätte haben müssen.
Strafmildernd schlug sich das Geständnis Uhls sowie der Umstand nieder, dass das Unternehmen
die fraglichen Lustreisen regelrecht organisiert hatte. Es wäre vor diesem Hintergrund
"relativ schwierig gewesen, der Versuchung zu widerstehen", sagte Amtsrichter Heiner Dickhuth.
Der Besuch in dem Hannoveraner Privathaus war aber nur einer von vielen Kontakten mit
Prostituierten. Darauf lassen zumindest die Aussagen Gebauers schließen, der im Prozess
als Zeuge ausgesagt hatte. Etwa seit 1993, seit Hartz bei VW war, sei das "Beiprogramm"
mit Prostituierten "normaler Bestandteil einer Sitzung" geworden. Er selbst sei mit dem
früheren Betriebsratschef Klaus Volkert zu VW-Standorten in der Welt gereist, habe vor
Treffen ein Beiprogramm organisiert und auch getestet. "Wir sind nicht dorthin gefahren,
wo nichts los war", sagte Gebauer unter Gelächter des Publikums.
Schon bald könnte es in der VW-Affäre ein weiteres Verfahren geben. Laut Staatsanwaltschaft
fällt demnächst die Entscheidung über eine Anklage gegen den Betriebsrat und niedersächsischen
SPD-Landtagsabgeordneten Günter Lenz. Gebauer zufolge war Lenz an Bordellbesuchen beteiligt:
"Die Unterorganisation hat Lenz übernommen", sagte Gebauer. In seiner Partei steht Lenz
offenbar kurz vor dem Rücktritt. Wenige Monate vor der Landtagswahl in Niedersachsen forderte
SPD-Spitzenkandidat Wolfgang Jüttner ihn gestern auf, sein Mandat niederzulegen. Lenz habe
zugesagt, bis morgen eine Entscheidung zu treffen. Lola aus der Ukraine berichtete über das
"Beiprogramm" für die VW-Manager.