Posthumer Brief eines Vaters an GB. (Nov.2009) Du hättest vom Alter her mein Vater sein können Du warst nicht mal sechs Wochen jünger als Er und während Er, der Sohn eines Polen, freiwillig in sein Vater-Land einbrach, da standest Du wegen der Streiche Deiner Copains in Sète vor Gericht. Und als Er mit Gelbsucht in Russland lag da zwangen sie Dich nach Basdorf zur Arbeit bei BMW, Flugzeugmotoren bauen für "unseren" Endsieg. Sie hatten Dir den Ausweis und die Rationen genommen also bist Du, noch jung, nach Deutschland gefahren. Ich weiß nicht, ob jemand versuchte, Dich abzuhalten. Dein Vater, er hatte wahrscheinlich Kontakte zu Kameraden der Resistance gehabt und gewusst, dass Menschen wie er hier massenweise und systematisch gefoltert, gebrochen und arbeits- vernichtet wurden. Im KZ Oranienburg-Sachsenhausen, dreizehn Kilometer nord-westlich von Basdorf, war neun Jahre zuvor Dein Kollege Erich Mühsam, wie Du Anarchist und wie Dein Vater Kommunist, vom beißenden Hass der Faschisten gestorben. Basdorf, Berliner Arbeitervorstadt, Gemeinde Wandlitz, genau da, wo später sogenannte Genossen an "vergoldeten" Wasserhähnen die Chance auf ein "Nie wieder" verspielten. Dafür drohen heute schon wieder dumm-dreiste Nazi-Plakate zu oberst vom Lampenmast: "Vaterland, Muttersprache, Kinderglück" so höhnen sie das von der Stange herunter was sie Deiner Generation gestohlen haben, und Deinem Vater, und meinem Vater, und Dir. Als nachkriegsdeutschem Wirtschaftswunderkind steht's mir nicht zu, Dich in Frage zu stellen. Ich suche selbst noch nach Wegen, mein Leben zu meistern und die sind so unübersichtlich und krumm. NEIN, ich hätte nicht Neunzehnhunderteinundzwanzig geboren sein wollen, dann hätte ich womöglich die gleichen Fehler begangen wie mein Vater, der natürlich nichts wissen wollte von den Ratschlägen seines so wie Du Deines und ich meines Vaters. Und was macht eigentlich gerade mein Sohn? | Lettre posthume d'un père à GB. (Fév.2019) Par âge, tu aurais pu être mon père. Tu n'avais même pas six semaines de moins que lui et tandis que lui, le fils d'un Polonais, envahissait volontiers le pays de son père, tu étais mis en examen à cause des friponneries de tes copains à Sète. Et quand il reposait en France avec une jaunisse, ils t'ont forcé à travailler à Basdorf pour BMW et construir des moteurs d'avion pour "notre" victoire finale. Ils ont eu saisi tes papiers d'identité et tes rations donc, tu es allé en Allemagne - tu étais encore jeune. Je ne sais pas si quelqu'un avait essayé de t'en retenir. Ton père, il a probablement eu des contactes aux camarades de la résistance qui avaient connu que, ici, les gens comme lui avaient été torturés, brisés et détruits par travail - systématiquement! Au camp de concentration à Oranienburg-Sachsenhausen, treize kilomètres au nord-ouest de Basdorf, ton collègue Erich Mühsam, anarchiste comme toi et communiste comme ton père, avait été tué par la haine mordante des fascistes il y avait neuf ans. Basdorf - faubourg ouvrier au nord de Berlin, communauté de Wandlitz - juste là, où plus tard des soi-disant socialistes ont perdu la chance unique d'un "jamais plus" - aux "robinets dorés". En échange, des affiches hardis et stupides des nazies nous menacent aujourd'hui à nouveau par le haut du lampadaire: "Patrie, langue maternelle, bonheur d'enfants" ainsi ils se moquent là-haut sur la perche de ce qu'ils ont volé à ta génération, à ton père, à mon père et à toi. En tant qu'enfant allemand du prodige économique d'après-guerre ce n'est pas à moi de te mettre en cause. Je cherche toujours des moyens de maîtriser ma vie et ses trajets sont si confus et tordus. NON, je n'aimerais pas être né en mille neuf cent vingt et un, alors j'aurais commis peut-être les mêmes fautes que mon père, qui, bien sûr, ne voulait rien savoir de bons conseils de son - aussi bien que toi de ton et moi de mon - père. Et quoi est-ce que fait en fait maintenant mon fils? |
*) Georges Brassens wurde am 20. Oktober 1921 geboren, mein Vater am 11. September des gleichen Jahres. Brassens starb mit 60 Jahren am 30. Oktober 1981, mein Vater knapp neun Jahre später kurz vor dem Anschluss der DDR im August 1990. Auf seinen Geburtstag fielen später ironischerweise zwei Wendepunkte der Geschichte: An seinen 52. putschte Pinochet und die CIA in Chile 1973 gegen die Regierung Allende, der Startschuss für den antisozialistischen Roll-Back der USA und am 80. geschahen die Anschläge auf New York und Washington 2001, von den USA als Vorwand für ihren endlosen "Krieg gegen den Terror" genutzt. **) Mein Vater hatte sich zum Entsetzen seines "reichspolnischen" Vaters (dieser wurde als Mitglied der polnischen Minderheit im Kaiserreich um 1890 geboren und fiel 1943 in Bochum einer britischen Luftmine zum Opfer) mit seiner ganzen Abiturklasse 1939 freiwillig zum Kiegsdienst gemeldet und hatte dann in Polen und vor Moskau gekämpft. Erst katholisch-konservativ aufgewachsen und dann der HJ-Gehirnwäsche unterzogen, wendete er sich nach dem Krieg wie viele seiner Schicksalsgenossen dem unverändert antikommunistischen aber nun proamerikanischen, christlich-demokratischen Konservatismus zu. |