Ratschläge für einen schlechten Redner (von Kurt Tucholsky)
Fang nie mit dem Anfang an,
sondern immer drei Meilen vor dem Anfang!
(„Meine Damen und Herren, bevor ich zum Thema
des heutigen Abends komme, lassen Sie mich kurz ...“)
Sprich nicht frei – das macht so einen unruhigen Eindruck.
Am besten ist es: du liest deine Rede ab.
Das ist sicher, zuverlässig, auch freut es jedermann,
wenn der lesende Redner nach jedem viertel Satz
mißtrauisch hochblickt, ob auch noch alle da sind.
Sprich, wie du schreibst.
Und ich weiß, wie du schreibst.
Sprich mit langen, langen Sätzen,
die Nebensätze schön ineinandergeschachtelt ...
Du musst alles in die Nebensätze legen.
Fang immer bei den alten Römern an
und gib stets, wovon du auch sprichst,
die geschichtlichen Hintergründe der Sache.
Das ist nicht nur deutsch – das tun alle Brillenmenschen.
Immer gib ihm Historie, immer gib ihm.
Kümmere dich nicht darum, ob die Wellen,
die von dir ins Publikum laufen, auch zurückkommen –
das sind Kinkerlitzchen.
Sprich unbekümmert um die Wirkung, um die Wirkung,
um die Leute, um die Luft im Saale;
immer sprich, mein Guter. Gott wird es dir lohnen.
Trink den Leuten ab und zu ein Glas Wasser vor –
man sieht das gern.
Wenn du einen Witz machst, lach vorher,
damit man weiß, wo die Pointe ist.
Eine Rede ist, wie könnte es anders sein,
ein Monolog. Weil doch nur einer spricht.
Viel Statistik hebt eine Rede immer sehr.
Das beruhigt ungemein, und da jeder imstande ist,
zehn verschiedene Zahlen mühelos zu behalten,
so macht das viel Spaß.
Kündige den Schluss deiner Rede lange vorher an,
damit die Hörer vor Freude nicht einen Schlaganfall bekommen.
Du musst nicht nur eine Disposition machen,
du musst sie auch vortragen – das würzt die Rede.
Sprich nie unter anderthalb Stunden,
sonst lohnt es sich gar nicht erst anzufangen.
Wenn einer spricht, müssen die anderen zuhören –
das ist deine Gelegenheit! Missbrauche sie.