Über meine musikalischen Nachdichtungen:
Frei im Wort und nah am Sinn und an der Musik (von Leobald Loewe)
Im Chanson kommen Musik und Poesie zusammen, die Worte fügen den Klängen einen "Film" (Kopfkino) hinzu, ohne dessen Verständnis ein Chanson nicht erfasst und genossen werden kann. Ziel meiner Arbeit ist es, einige der schönsten Chansons von Georges Brassens und Anderen auf Deutsch singbar (und damit diesen Genuss einem deutschsprachigen Publikum überhaupt erst zugänglich) zu machen - und zwar in bühnenreifer musikalischer Qualität. Dabei ist es durchaus nicht meine Absicht, im literarischen Sinne originalgetreue (geschweige denn autorisierte) Übersetzungen abzuliefern. Es handelt sich hier vielmehr um deutsche Liedertexte, die sich nur so nah wie möglich am Original orientieren.
Gute und wortgetreue "Übersetzungen" von Gedichten und Liedern kann es eigentlich nicht geben. Neben dem Sinn und Hintersinn sind Metrik, die Prosodie (Sprachmelodie und -rhythmus), Reime und Wortspiele von Bedeutung. Bei einer Übersetzung gehen z.B. alle "jeux de mots", die mit Doppelbedeutungen und Assoziationen spielen und in der französischen Lyrik und gerade in Brassens' Liedern eine große Rolle spielen, zwangsläufig verloren. Übertragung bedeutet immer auch Transport in eine andere Kultur mit anderen Metaphern und literarischen und historischen Bezügen. Oft gibt es keine äquivalenten Begriffe und die Sprachen klingen verschieden.
Wenn man ein Gedicht mit einem Gemälde vergleicht und die nicht-übersetzbaren Komponenten mit den Farben gleichsetzt, so liefert eine Übersetzung bestenfalls eine scharfe Schwarz-Weiß-Kopie. Erst wenn man zum Pinsel und zur Farbpalette der Zielsprache greift, kann man daraus wieder ein farbiges Bild machen, d.h. den Text zum Leuchten bringen. Besonders wenn man auch noch musikalischen Ansprüchen genügen will, reichen literarische Übersetzungsmethoden nicht mehr aus; es müssen nicht-übertragbare Bestandteile schöpferisch und mutig durch eigene Elemente ersetzt oder ergänzt werden. In der Werbung wird diese Form der Adaption auch Transkreation genannt. Man muss also selbst zum Liedermacher werden und von seiner Kreativität Gebrauch machen. Je näher man sich ans Original zu halten versucht, um so schwieriger wird es, geeignete Lösungen zu finden. Darum kann eine gute Lied-Übertragung auch nur eine Interpretation und nicht etwa die allein gültige "Übersetzung" sein!
Es gibt kaum Schlimmeres für einen Liedertext als, wegen Reim- oder Bedeutungszwangs, gekünstelte, geschraubte oder fehlbetonte Formulierungen. Das neue Lied braucht auch eine neue, eigene Poesie! Deswegen habe ich mich spätestens gegen Ende der Arbeit - mit dem Originaltext nur noch im Hinterkopf - fast vollständig vom Original gelöst und mich nur noch der inneren Stimmigkeit des Liedes gewidmet - bis man nicht mehr hören kann, dass es sich dabei nur um eine Übersetzung handelt. Ich habe mich dennoch sehr um Originaltreue bemüht in dem Sinne, dass der musikalische Charakter des Liedes und der beim Zuhörer ablaufende "Film" mit seinem Subtext erhalten bleibt. Maxime: Möglichst viel von der Idee, vom Witz und Tenor des Originals zu erhalten und sie nicht mutwillig oder fahrlässig zu verfälschen, zu verwässern oder gar zu "verbessern" (keine Selbstverständlichkeit, wie ich beim Studium manch' biermannscher "Übersetzung" leider feststellen musste)!
Prioritäten: 1.: Film (Bedeutung, Sinn, Witz), 2.: Musik (Rhythmus, Melodie), 3.: Reime
Um mich einem großen Künstler wie Georges Brassens als kleiner Liedermacher nähern zu können, musste ich ihn - mit dem nötigen Respekt - ein wenig zu mir herunter holen von dem Sockel, auf den er von seinen vielen Verehrern in aller Welt (sicher nicht zu Unrecht) gehoben wurde (ich finde nur, man sollte ihn eher lieben als verehren!). Aber ein Podest passt ohnehin nicht zu ihm, nicht zu seiner Schüchternheit auf der Bühne und seiner "feinen Poesie mit einfachen Worten" (Maxime le Forestier). Ich habe erst gar nicht versucht, diese irgendwie zu imitieren, mich jedoch sehr darum bemüht, ihr mit den mir zur Verfügung stehenden Fähigkeiten und meinem vielleicht zu sachlichen Sprachstil (Verzicht auf blumiges Romantisieren) halbwegs gerecht zu werden:
Seiner genauen, bilderreichen Sprache in zarten bis deftigen, oft der Umgangssprache entnommenen Sätzen, der präzisen Metrik, den perfekt zur Musik passenden Sprachmelodien und -rhythmen mit gelegentlich absichtsvoll eingestreuten "Stolperstellen", seiner doppelbödigen Ironie und seinem scharfen Wortwitz. Und obwohl ich seine Vorliebe für antike und religiöse Zitate nicht so teile, habe ich mich auch um sie bemüht.
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Zur Problematik des "copyrights" siehe: "Geistiges Eigentum ist Diebstahl" von Joost Smiers, Zitat:
» Rosemary Coombe, eine kanadische Anthropologin und Urheberrechtsexpertin, stellt fest, dass "in den
Konsumgesellschaften die Mehrzahl der Bilder, Texte, Motive, Label, Logos, Warenzeichen, des Warendesigns,
der Melodien und sogar Farben und Gerüche unter das Prinzip des geistigen Eigentums fallen oder darüber
kontrolliert werden." Die Auswirkungen solcher monopolistischer Kontrollstrukturen sind katastrophal. Denn verbreitet wird
lediglich die Kunst und Unterhaltung, über deren Rechte einige mächtige Konzerne verfügen. Sie konzentrieren sich darauf, einzelne "Stars" aufzubauen, in die sie hohe Summen investieren, und verdienen an den Nebenprodukten
ihrer Vermarktung. Angesichts des hohen Investitionsrisikos setzen sie auf aggressives, weltweites Marketing,
das kulturelle Alternativen aus dem Bewusstsein der Menschen verdrängt. Die Vielfalt der künstlerischen
Ausdrucksmöglichkeiten bleibt dabei auf der Strecke. «
"Die GEMA-Vermutung besagt, dass aufgrund des umfassenden Weltrepertoires, über dessen Rechtewahrnehmung die GEMA verfügt, eine tatsächliche Vermutung dafür spricht, dass bei Aufführungen von in- und ausländischer Tanz- und Unterhaltungsmusik Vergütungspflicht besteht. Jeder, der behauptet, dass bei einer Veranstaltung kein Werk des GEMA-Repertoires wiedergegeben wurde, hat hierfür den Beweis zu führen" (Quelle: GEMA)
Mal abgesehen davon, dass die "GEMA-Vermutung" [die nichts anderes ist als die juristische Absegnung eines privaten Monopol-Kartells] eine unsinnige Bestimmung enthält, nämlich nachzuweisen "dass kein Werk des GEMA-Repertoires wiedergegeben wurde", was gar nicht geht, weil niemand, nicht einmal die GEMA dieses ganze "GEMA-Repertoire" kennt (das ist so ein nicht-greifbarer Begriff wie die "Menge aller Mengen" der Mathematiker, die diesen schleunigst aus ihrem Sprachschatz gestrichen haben, nachdem sie gemerkt hatten, dass er zu Widersprüchen führt) ist es ein (von der GEMA in Umlauf gebrachter) weit verbreiteter Irrtum, dass "jede Veranstaltung" der GEMA-Vermutung unterliege. Betroffen sind nur Veranstaltungen der "Tanz- und Unterhaltungsmusik". Die GEMA hat daher bei Kleinkunstveranstaltungen, Lesungen etc. gar kein Recht, sich auf die GEMA-Vermutung zu berufen und somit auch kein Recht, detaillierte Informationen über den Inhalt der Veranstaltungen einzufordern. Im Falle von Veranstaltungen der Tanz- und Unterhaltungsmusik sollte es m. E. ausreichen, wenn der Haupt-"Berechtigte", also der Künstler, erklärt, dass er selbst nicht der GEMA angehört und keine von der GEMA ausgebeuteten Urheberrechte verwendet, um die GEMA-Vermutung, sie "nehme die Rechte aller Berechtigten wahr", zu entkräften (Die allermeisten Amateurkünstler sind KEINE GEMA-Mitglieder). Siehe auch: "Urheberrechtsausgleich oder Subventionssteuer?" von Peter Mühlbauer